1. Mai-Wie weiter?

Seit 5 Jahre organisiert das Bündnis “Streichen bei den Reichen!“ nun schon einen internationalistischen, unabhängigen Block auf der 1. Mai-Demonstration in Oldenburg. Dieses Jahr spaltete sich zum ersten Mal dieser Block vom DGB ab und führte eine eigene, revolutionäre 1. Mai-Demonstration durch. Der konkrete Anlaß dürfte den meisten bekannt sein- der DGB entzog dem Bündnis „Streichen bei den Reichen!“ ohne Angabe von Gründen das Rederecht auf der 1. Mai- Kundgebung. Anlaß genug für uns als Mitbegründerin des Bündnisses, die letzten fünf Jahre Revue passieren zu lassen.

Also beginnen wir im Jahr 1996. Mehrere Gruppen und Initiativen setzten sich zusammen, um dem 1. Mai in Oldenburg wieder Leben einzuhauchen. Niemand hatte noch großes Interesse daran, einfach wie in den Jahren zuvor beim DGB mitzulatschen und sich das Geseiere des damaligen DGB-Vorsitzenden Bittner anzuhören. Nach langeren Diskussionen wurde sich entschieden, keine eigene Demo zu organisieren, sondern eine Möglichkeit zu finden, die DGB-Basis mit linken Positionen zu konfrontieren, da davon ausgegangen, daß diese eher offen für kritische Stimmen sind (zum anderen ist sonst fast niemand am Morgen dieses Tages auf der Straße). Also wurde ein unabhängiger, internationalistischer Block initiert. Dort sollte allen Menschen, die sich als links von den offiziellen DGB-Positionen verstehen, die Möglichkeit gegeben werden, sich zu sammeln, um gemeinsam und somit wahrnehmbar an die kämpferische Tradition des 1. Mai`s anzuknüpfen. Um klarzumachen, daß der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte darstellt und die Sehnsucht nach einem Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung, nach einer Überwindung dieses Systems, niemals begraben wird. Circa 200 Menschen waren schließlich im unabhängigen Block, u.a. auch viele kurdische GenossInnen. Unser Block verließ nach dem Ende der Demo geschlossen -die „Internationale“ singend- und unter den erbosten Blicken der DGB-Führung die Abschlußkundgebung und ließ den Tag beim Alhambra ausklingen.
In der Nachbereitung war Konsens, daß mensch auf diesem ersten Schritt weiter aufbauen sollte. Allerdings wurde auch deutlich, daß unsere Positionen kaum wahrgenommen wurden und der DGB sein „Bündnis für Arbeit“-Geblaber unwieder-sprochen ablassen konnte. Also wurde sich entschieden, 1997 eine direkte verbale Konfrontation einzugehen. Wie im Jahr zuvor gab es den unabhängigen Block, der etwa auf 300 Menschen angewachsen war. Diesesmal wurde die DGB-Kundgebung auf den Schloßplatz jedoch nicht verlassen. Parallel zur Rede von Bittner verlas das Bündnis seinen Redebeitrag, was so einige DGB`lerInnen zur Raserei brachte. Es wurde versucht, unserer Rednerin das Mikro zu entreißen, einige wollten uns aufs Maul hauen und Bittner schrie von der Bühne aus nach den Bullen, die uns zum Schweigen bringen sollten. Naja, gebracht hat es ihnen nichts; die Rede wurde zuende gehalten und die letzten linken GewerkschafterInnen waren alles andere als erfreut über die Reaktion ihre Führung. 1998 dann änderte sich so einiges. Bittner nahm seinen Hut und neuer Kreisvorsitzender des DGB`s wurde der für einen Gewerkschaftsboss eher links stehende Manfred Klöpper. Dieser versuchte anfänglich in bester sozialdemokratischer Manier, das Bündnis zu spalten, indem er einzelnen Gruppen Angebote machte, Reden auf der Kundgebung zu halten, wenn sie sich (ausschließlich) an der 1. Mai- Vorbereitung des DGB beteiligen wurden. Als die Gruppen das ablehnten, biß Klöpper in den sauren Apfel und gewährte dem Bündnis als solchen ein Rederecht. Die damalige Vermutung, daß es sich lediglich um ein taktischen Manöver handelt, um das Bündnis ruhigzustellen, hat sich in den beiden folgenden Jahren bestätigt. Der 1. Mai 1998 jedenfalls war recht erfolgreich. Der Bündnis-Block war mit mehr als 400 Menschen um einiges größer als der DGB-Block, und nach einer ziemlich lahmen Ansprache von M. Klöpper folgte ein powervoller Redebeitrag des Bündnis „Streichen bei den Reichen!“ und der kurdischen GenossInnen. Alles verlief sehr harmonisch und unter den wohlwollenden Blicken Klöppers. Aber Harmonie im Umgang mit sozialdemokratischen Gruppen bietet immer Anlaß zur Vorsicht. Und tatsächlich war es so, daß das Bündnis nicht als eigenständige politische Kraft, sondern eher als linker Anhang des DGB wahrgenommen wurden. Und so konnte mensch dann auch in der NWZ lesen, daß das Bündnis sich in seiner Rede den Ausführungen des DGB angeschlossen hätte.
Leider war im folgenden Jahr nicht viel Zeit, weiter diese Problematik zu diskutieren. Denn der 1. Mai 1999 stand im Zeichen der Antifamobilisierung gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch in Bremen. Das Bündnis „Streichen bei den Reichen!“ mobilisierte wie wild und stellte kostenlose Busse nach Bremen zur Verfügung. Am Morgen des 1. Mai führen dann schließlich 150 Menschen los, um den Nazis die Straße zu nehmen. Für alle, die nicht nach Bremen fahren wollten oder konnten, gab es trotzdem den unabhängigen Block, der logischerweise um einiges kleiner ausfiel. Dennoch kam es in diesem Jahr zu den Vorfällen, die zu den Auseinandersetzungen in diesem Jahr führten.
- Ein Bus mit mehreren Dutzend Nazis aus dem Ruhrgebiet hatte sich Oldenburg als Ziel ausgesucht (Oldenburg wurde nach dem Verbot des Aufmarsches in Bremen kurzzeitig als Ausweichpunkt der Nazis gehandelt). Die Faschos versammelten sich auf dem Pferdemarkt, um dort eine Kundgebung durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war die 1. Mai-Demo gerage in der Nähe des Lappans. Der unabhängige Block löste sich (nach diversen, vergebenen Appellen an den DGB, sich solidarisch zu verhalten und sich den Nazis entgegenzutreten oder zumindest stehenzubleiben) aus dem Demozug und suchte den Kontakt mit den Nazis. Am Pferdemarkt angekommen zogen die Bullen sofort mehreren Be-helmte und Hunde auf, stoppten den Block und stopften die Nazis schnellstmöglich wieder in ihren Bus und schickten sie mit Begleitung nach Hause. Der DGB war zwischenzeitig locker-flockig zum Schloßplatz gezogen und begann traditionell sich zu besaufen.
- Als klar war, daß die Faschos Oldenburg verlassen hatten, begaben sich der unabhängige Block ebenfalls zum Schloßplatz, um sich einem Zugriff der inzwischen massiv anwesenden Bullen zu entziehen. Ausserdem hatte das Bündnis genau wie im Jahr zuvor Rederecht. Auf dem Schloßplatz angekommen, wurde immerwieder von den Bullen provoziert. Die Forderung einer Sprecherin des Bündnisses an die DGB`ler sich zu verhalten und ebenfalls dafür zu sorgen, daß die Bullen sich verpissen, stieß auf taube Ohren.
- Als das Bündnis seine Rede verlas, kam es zu Pöbeleien aus den Reihen des DGB. Als die Rederin entsprechend darauf reagierte („Halt`s Maul!“), folgte die bezeichnende und zukunftsweisende Äußerung von M. Klöpper: „Halt du doch die Fresse!“.
Damit waren also die Weichen für 2000 gestellt und es war deutlich geworden, was der Oldenburger DGB unter „Solidarität“ versteht. War eigentlich nicht wirklich überraschend. Wie schon oben erwähnt, entzog der DGB dann also dem Bündnis das Rederecht und, wie es sich halt gehört im solidarischen Miteinander, ohne Angabe von Gründen und ohne es öffentlich mitzuteilen.
Darauf mußte natürlich reagiert werden. Schon vor der Bestätigung des Redeverbotes war für das Bündnis klar, daß es diesmal eine eigene Abschlußkundgebung geben sollte, denn kaum jemand hatte noch großes Interesse daran, mit lauter besoffenen DGB`lerInnen auf deren Kundgebung abzuhängen. Es sollte auf die Erfahrungen von 1998 reagiert werden. Doch jetzt stellte sich die Situation noch um einiges verschärfter dar. Trotzalledem wurde die Idee einiger DGB`ler, daß die „Autonomen“ die DGB-Demo jetzt angreifen würden (und daher Bullenschutz mit Wasserwerfern und allem Pipapo hermüßte), vom Bündnis also doch wohl überzogen verworfen. Stattdessen wurde erstmal wieder für einen unabhängigen Block mobilisiert. Dieser spaltete sich in einem taktisch wohlgewählen Moment ab und ließ den DGB im wahrsten Sinne des Wortes rechts liegen. Eigentlicher Plan war, am Julius-Mosen-Platz eine Kundgebung abzuhalten, just in dem Moment, in dem der DGB dort langläuft. Hat aber nicht geklappt, den Klopper meinte, daß der unabhängige Block dort die DGB-Demo blockieren wollte und deshalb kürzten sie spontan ihre Route ab und veranstalteten ihre Abschlußkundgebung in mitten des Ostermarkttrubels auf dem Rathausmarkt. Egal! Es gab dann also die erste eigene, revolutionäre 1. Mai -Demonstration mit fast 400 Leuten und diversen Bauwägen der „Bunte(n) Hunte“. Die Demo zog bis zum Alhambra, wo das ganze enorm nett mit diversen Redebeiträgen und einem Straßenfest bis in den frühen Abend ausklang. Aus unserer Sicht war der diesjährige 1. Mai der Gelungenste bisher, vorallem weil sich diesmal fast die gesamte Szene eingebracht hat. Schau`n wir, was die Zukunft bringt...
Für einen revolutionären 1. Mai!

Antifaschistische Aktion Oldenburg