Axel H., Harald G. und Sabine E. müssen raus aus dem Knast!
Am 19. Dezember 1999 wurden in Berlin und Frankfurt am Main Axel H., Harald G. und Sabine E. unter dem Vorwand Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung zu sein, festgenommen. Vorgeworfen wird ihnen in den Stadtguerillagruppen ”Revolutionäre Zellen/ Rote Zora” gekämpft zu haben. Gleichzeitig wurde das linke Kulturzentrum Mehringhof in Berlin von einem riesigen Polizeiaufgebot durchsucht. Mittlerweile sitzen die drei Verhafteten ein halbes Jahr in Untersuchungshaft in Düsseldorf, Wuppertal und Frankfurt. Am 19. Juni ist Haftprüfungstermin. Dies ist für uns Anlaß nach Düsseldorf und Wuppertal zu ziehen und den Gefangenen unsere Solidarität in die Knäste zu schicken.
Die Durchsuchung
Um die angebliche Schwere und Gefährlichkeit der Anschuldigungen auch nach außen
hin sichtbar zu machen, bot der Polizeiapparat ganz schön was auf:
Insgesamt waren 1.000 BeamtInnen an dieser Polizeiaktion beteiligt, die bei
der 12 stündigen Durchforstung des Geländes nicht gerade zimperlich vorgingen.
Martialisch auftretende Spezialeinheiten durchsuchten den MehringHof nach Sprengstoff
und Waffen und wüteten dabei so, daß Schäden von insgesamt 100.000 DM entstanden.
Schlösser wurden aufgebrochen, Türen ausgehebelt, Hohlräume aufgestemmt und
Inventar zerstört. Gefunden wurde Nichts.
Bei der Stürmung des MehringHofes kam es zur Festnahme von zwei Flüchtlingen,
die sich ”zur falschen Zeit am falschen Ort” aufhielten, nämlich auf einer Party
im MehringHof, und zwischenzeitlich nach Bolivien und Weißrussland abgeschoben
wurden.
Die Verhaftungen
Harald G. sitzt in Düsseldorf, Axel H. in Wuppertal und Sabine E. wird in Frankurt
festgehalten. Die drei wurden aus ihren jeweiligen sozialen und politischen
Zusammenhängen gerissen. Sie sitzen jetzt unter verschärften Haftbedingungen
im Knast. D.h., daß dort ihre Post von der BAW gelesen wird, sie nur selten
Besuch bekommen können, ihnen knastinterne Gemeinschaftsaktivitäten verwehrt
bleiben.
Die drei Verhafteten werden von der Bundesanwaltschaft (BAW) beschuldigt seit
Mitte der 80er Jahre Mitglieder der ”Revolutionäre Zellen/Rote Zora” gewesen
zu sein. Ihnen wird die Beteiligung an Sprengstoffanschlägen bzw. der unerlaubte
Besitz von Sprengstoff zur Last gelegt. Zusätzlich soll Sabine 1986 an einem
Anschlag auf den damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde und gemeinschaftlich
mit Harald 1987, an den Knieschüssen gegen den damaligen vorsitzenden Richter
des Bundesverwaltungsgerichts beteiligt gewesen sein. Strafrechtlich sind letztere
Vorwürfe nach Angaben der BAW jedoch verjährt.
Die Verhaftungen der drei sind auf Aussagen eines Mannes zurückzuführen, der
längere Zeit in der Berliner linken Szene aktiv war. Er wurde Ende November
1999 festgenommen. Auf der Basis, der Ende des letzten Jahres auslaufenden Kronzeugenregelung,
hat er scheinbar ausgesagt, daß Axel H. im MehringHof ein Waffen- und Sprengstoffdepot
der ”Revolutionäre Zellen/Rote Zora” betreut haben soll. Zusammen mit Harald
G. habe er einem ”Koordinierungsausschuß” angehört, der Gelder an legale und
illegale Gruppen verteilt habe. Zuvor wurde bereits ein Mann aus Frankfurt,
später dann Sonja S. und Christian G. in Paris festgenommen. Auch sie werden
der Mitgliedschaft bei den ”Revolutionäre Zellen/Rote Zora” beschuldigt. Die
Verhaftungen stehen ebenfalls mit der Denunziation eines Kronzeugen in Zusammenhang.
Die Kronzeugenregelung sieht vor, daß Beschuldigten, die bereit sind angebliche
MittäterInnen zu denunzieren, erheblicher Straferlaß und Haftvergünstigungen
in Aussicht gestellt werden. Der Rechtsanwalt und Schriftsteller Rolf Gössner
vertritt zur Glaubwürdigkeit von Kronzeugen folgende Position:” Ihre Aussagen
sind, was die Glaubwürdigkeit anbelangt, in Relation zu setzen, zu den Vergünstigungen,
die sie von staatlicher Seite erhalten.” Aussagen von Kronzeugen sind also mit
äußerster Vorsicht zu genießen!
Obwohl bei der Durchsuchung des MehringHofs nichts gefunden wurde, hat die BAW
an der Glaubwürdigkeit ihres Kronzeugen keine Zweifel. Wie hoch scheint doch
der Rechtfertigungsdruck dieser Behörde, wie auch des Staats- und Verfassungsschutzes
zu sein, daß sie nach jedem Strohalm greifen müssen. Dieser Verfolgungsapparat,
der in den 70er und 80er Jahren auf- und ausgebaut wurde, um die Mitglieder
der RAF ”zur Strecke zu bringen”, befindet sich in Existenznöten.
Die Kriminalisierung
Repressionsschläge gab es auch in den letzten Jahren zur Genüge, genannt seinen
nur die 129a-Verfahren gegen die autonome Antifa (M) oder die Verhaftungen und
bundesweiten Durchsuchungen im Zuge der Kriminalisierung der Zeitschrift radikal.
Aktuell wird beispielsweise mit dem Gummiparagraphen §129a gegen AktivistInnen
aus der Anti-Atom Bewegung ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen an Hakenkrallenanschlä-gen
1996/97 beteiligt gewesen zu sein. Wie immer geht es den Staatschutzbehörden
um die Kriminalisierung linker Projekte und Gruppen und deren Zerschlagung.
Es soll aufgezeigt werden, daß sich militanter Widerstand, linksradikale Konzepte
und Utopien nicht lohnen. Darüber hinaus steht die Drohung, daß alle, die vermeintlich
bewaffnet bzw. militant gekämpft haben, irgendwann in die Knäste wandern, und
sei es nach zwanzig Jahren. So müssen für diesen Kriminalisierungsversuch Stadtguerillagruppen
herhalten, die vor fast einem Jahrzehnt ihre Auflösung bekannt gaben.
Daß dieser ganz große Schlag rund zehn Jahre nach der Auflösung der ”Revolutionäre
Zellen/ Rote Zora” kommt, stört die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wenig. Sie
bemüht sich seit Anfang der 90er Jahre unter anderem das Kapitel ”Militante
Linke” abschließen zu können.
Machen wir die Verhaftungen öffentlich, zeigen wir unsere Solidarität vor den
Knästen und schicken den Gefangenen Musik und Grüße in den Knast!
Power durch die
Mauer, bis sie bricht! Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Knastkundgebungen:
Samstag, 10. 06. 2000
12.00 Uhr in Düsseldorf, Spichernplatz (Bahn ab Hbf: 707 bis Spichernplatz)
15.00 Uhr in Wuppertal, S-Bhf Vohwinkel (S8 bis W-Vohwinkel) Kommt alle!
antifaschistische und antirassistische Gruppen aus NRW
Termine zu denen
Veranstaltungen zur Geschichte der RZ und der Situation der Gefangenen stattfinden:
24.05.
„Zeiten des Zorns Teil II, zur Geschichte der RZ mit Klaus Viehmann und anderen.
Köln, Alte Feuerwache, Melchiorstraße 3, um 20.00 Uhr
05.06. zur Geschichte der RZ und der Situation der Gefangenen mit dem Berliner
Solikomitee und einem Mitarbeiter der Düsseldorfer Stattzeitung TERZ. Düsseldorf,
Antifa-Cafe, Martinstraße 52. um 19.00 Uhr
06.06. zur Geschichte der RZ und der Situation der Gefangenen mit dem Berliner
Solikomitee und einem Mitarbeiter der Düsseldorfer Stattzeitung TERZ. Oberhausen,
im Druckluft, Am Förderturm 27 um 20.00 Uhr
08.06. zur Geschichte der RZ und der Situation der Gefangenen mit dem Berliner
Solikomitee und einem Mitarbeiter der Düsseldorfer Stattzeitung TERZ. Köln,
Alte Feuerwache, Melchiorstraße 3, um 20.00 Uhr
09.06. zur Geschichte der RZ und der Situation der Gefangenen mit dem Berliner
Solikomitee und einem Mitarbeiter der Düsseldorfer Stattzeitung TERZ. Bochum,
Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 20.00 Uhr
(Am 03.06. finden parallel in Düsseldorf und Köln Soliveranstaltungen für Axel
H, Harald G. und Sabine E. statt. Also seid viele!)
03.06. Solikonzert mit Mexican Allstars, Sack & Asche und Special Guests; ab
19.30 Uhr im Haus der Jugend (Lacombletstraße 10), Düsseldorf.
03.06. Ab 21.00 UhrSoliparty mit beliebten Überraschungsgästen auf der Bühne
und an den Turntables! (technohardhousecorebreakbeatpunkrockjungledub) auf dem
Bauwagenplatz „Wem gehört die Welt“ Krefelder Straße 0 (Krefelder Straße/Ecke
Innere Kanalstraße) in Köln.
Veranstaltungsplakate könnt Ihr bestellen unter: AG Solikundgebung c/o Büro
für ständige Einmischung Oststraße 37 40211 Düsseldorf Fax: 0211/358997 Die
Stückkosten pro Plakat betragen 30 PF.
Die ”Revolutionäre
Zellen/Rote Zora” (RZ) waren neben der RAF und der Bewegung 2. Juli bewaffnete
Gruppen in der BRD. Die RZ waren von 1973 bis 1992 aktiv. Die Rote Zora bestand
aus Frauengruppen, die zwar eigene Organisationsstrukturen hatten, aber mit
den RZ punktuell zusammengearbeitet haben. Alle bewaffneten Gruppen in der BRD
waren Ergebnis einer Radikalisierung eines Teils der ‘68 Bewegung. Mit den in
der Linken diskutierten internationalistischen, antiimperialistischen und sozialrevolutionären
Theorien wurde die Notwendigkeit von revolutionärer Gewalt zur Veränderung der
Gesellschaft formuliert. Die RZ machten Aktionen und veröffentlichten Erklärungen
zu Themen wie § 218, Fahrpreiserhöhungen, Solidaritätsarbeit für Befreiungsbewegungen
im Trikont, Anti AKW, Gen- und Reproduktionstechnologien, Flüchtlingspolitik
usw. So verteilten sie in den 80er Jahren massenhaft gefälschte Fahrkarten,
um gegen Fahrpreiserhöhungen zu kämpfen, oder vernichteten durch einen Brandanschlag
Flüchtlingsdateien, um deren Abschiebung zu ver-hindern.
(Buchtip zur Geschichte der RZ: Die Früchte des Zorns, Edition ID- Archiv, 1993,
ISBN: 3-89408-023-X)
§129a stellt
Gründung, Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für sogenannte ”terroristische
Vereinigungen” unter Strafe. Er ist der schärfste Ausdruck staatlicher Repression
und Gesinnungsjustiz.
Wenn nach diesem Paragraphen ermittelt wird, werden Sonderermächtigungen, verdeckte
polizeiliche Mittel und Methoden genutzt, die der betroffenen Person elementare
Grundrechte, wie beispielsweise die ”Unverletzlichkeit der Wohnung” aberkennen.
So weden beispielsweise der Briefverkehr abgefangen, Wanzen und Kameras, ohne
das Wissen der Betroffenen, installiert oder Telefonate abgehört.