Nach ersten Infos in der Januarausgebe der Alhambra-Zeitung sowie Hintergrundinfos zu den Revolutionären Zellen/Rote Zora in der Februarausgabe finden sich hier nun auf den nachfolgendnen Seiten eine genauere Zusammenstellung von Hintergründen, wie es zu den Verhaftungen von Rudolf (am 13.11.99) sowie von Sabine, Harald und Axel und Durchsuchungen überhaupt kommen konnte. Ebenso drucken wir einen Auszug einer Stellungname des Berliner Politmagazins Interim ab. Danach folgt ein Artikel von Oliver Tolmein, in dem u. a. mögliche Strategien der Soliarbeit diskutiert werden. Danach dokumentieren wir Teile einer Erklärung einer Revolutionären Zelle, die sich mit Antisemitismus in der Linken auseinandersetzt.

Infos zur Repressionswelle aufgrund von Vorwürfen der Zugehörigkeit zu den RZ

Eine ausgewählte Chronologie des jüngsten Repressionsschlages gegen die RZ, gekürzt übernommen aus dem Berliner Szeneblatt Interim 492 vom 27.1.2000

Ende März 1995 entwenden laut Bundesanwaltschaft (BAW) zwei Jugendliche aus einem Keller im Prenzlauer Berg unter anderem etwa zwei Dutzend Pakete des gewerblichen Sprengstoffes Gelamon 40 sowie 4,15 Meter Sprengschnur. Anfang April 1995 wird dieser Sprengstoff von der Polizei bei den Jugendlichen beschlagnahmt. Die Jugendlichen behaupten, den Sprengstoff in einem Park gefunden zu haben. Die Brisanz des Fundes erkennt die Polizei anscheinend nicht sofort. Spätestens im Frühjahr 1999 ist die Polizei der Meinung, daß dieser Sprengstoff eine Teilmenge von am 4. Juni 1987 von „unbekannten Mitgliedern der RZ“ aus einem Bergwerk in NRW entwendeten Sprengstoffs ist. Dieser Sprengstoff soll bei mindestens drei Sprengstoffanschlägen oder versuchten Sprengstoffanschlägen, zu denen sich die RZ bekannten, verwendet worden sein. Eine erneute Befragung der Jugendlichen führt die Polizei zu dem Keller. 1998 Festnahme von Hansjoachim Klein in Frankreich. 19. Mai 1999 Tarek Mousli wird als Mieter des Kellers verhaftet und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. Gegen ihn wird Haftbefehl erlassen. Auch eine Lebensgefährtin aus Mitte der 90er Jahre soll ihn wegen des Kellers belasten. An einer politischen Unterstützung hat Tarek kein Interesse hat („Keine Politik“). De fakto behandelt er die Angelegenheit als Privatsache. Weder über seinen Anwalt noch sonstwie ist zu erfahren, worauf die Vorwürfe gegen Tarek nun genau beruhen. Eine kurze Zeitungsnotiz in der „Berliner Zeitung“ bleibt die einzige Quelle. 7. Juli 1999 Tarek Mousli wird gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Zuvor hatte er eine begrenzte Einlassung zu den Vorwürfen gemacht. 13.11.1999 Festnahme von Rudolf Schindler in Frankfurt wegen „Beihilfe zum Mord“ - aufgrund der Aussagen von Hansjoachim Klein. 17.11.1999 Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Rudolf Schindler, weil er Klein zur OPEC-Aktion überredet und Logistik beigesteuert haben soll. 23.11.1999 Tarek Mousli wird erneut verhaftet, diesmal unter dem Vorwurf, „Rädelsführer der Berliner RZ“ gewesen zu sein, und in die JVA Köln-Ossendorf verschleppt. Konkret wird ihm die Tatbeteiligung an den Bein-Schüssen am 28. Oktober 1986 auf den damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, vorgeworfen. Desweiteren soll er am 27. September 1987 den damaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher durch zwei Schüße in die Unterschenkel verletzt haben. Überraschend konkret meint die BAW nicht nur eine Tatbeteiligung behaupten zu können, sondern daß er geschossen hat. Zudem soll er am 6. Februar 1987 an einem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber beteiligt gewesen sein. Weiter soll er „unmittelbaren Zugang zum damaligen Waffendepot der RZ in Berlin“ gehabt haben. Der Beschuldigte soll „auch maßgeblich in die Strategiediskussionen innerhalb der RZ zu Beginn der 90er Jahre eingebunden“ gewesen sein. Woher die BAW meint, diese Informationen zu haben, bleibt weiterhin unklar. Der Anwalt von Tarek erhält von Tarek weiterhin keine Genehmigung, Auskünfte zu geben, auf welchen Konstrukten oder Aussagen von einer weiteren Person die Vorwürfe beruhen. Gerüchten zufolge sollen die Vorwürfe auf Aussagen seiner früheren Lebensgefährtin (1995) beruhen, die nach einem längeren Auslandsaufenthalt der Polizei in einem weiteren Verhör ihr gesamtes (vermeintliches) Wissen preisgegeben haben soll. Ihr gegenüber soll Tarek 1995 mit seiner angeblichen Vergangenheit geprahlt haben. (zu diesem Punkt heißt es an anderer Stelle in der Berliner Informations- und Kommunikationsbroschüre Interim: In Beziehungen und Affären, und das war schon zum damaligen Zeitpunkt bekannt, erzählte er (d. h. Tarek) immer wieder ausführlich, an was für tollen Geschichten er angeblich beteiligt sei, damit die Frauen auch gewiß merken, an was für einen tollen Hecht sie geraten waren. Das wäre jetzt purer Tratsch, wenn es nicht genau der Knackpunkt ist, über den Tarek 1995 und letztlich 1999 gestolpert ist.) Zeitgleich werden an diesem Tag (d. h. am 23.11.99) acht „Objekte“ durchsucht, fünf davon in Berlin, zwei in Brandenburg und eins in Sachsen-Anhalt. Vier davon soll Tarek regelmässig benutzt haben, vier sind Wohnungen von Kontaktpersonen. Darunter sind auch die Wohnungen von Axel H. und Martin B., denen laut Durchsuchungsbeschluß „intensive persönliche und schriftliche Kontakte zum Beschuldigten“ unterstellt werden. Desweiteren wurden die Wohnungen einer Frau und die Wohnung des Lebensgefährten dieser Frau durchsucht. Weiter die beiden Kampfsportstudios im Prenzlauer Berg und in Marzahn, an denen Tarek beteiligt ist, sowie natürlich seine eigene Wohnung. 6. Dezember 1999 In der Berliner Zeitung erscheint ein Artikel, in dem es hauptsächlich um die Suche der Polizei nach dem StaSi-Anwalt Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger geht. Dieser soll sich lebhaft an der Sicherung der StaSi-Millionen vor der Bundesregierung beteiligt haben und lebt seit 1992 in der Illegalität. Wiederholt soll er sich seitdem in Ostberlin aufgehalten haben. In dem Artikel wird festgestellt, daß es sich bei der Frau, bei der ebenfalls wegen Tarek durchsucht wurde, um die Ex-Schwiegermutter von Wetzenstein-Ollenschläger handeln soll. Gesucht haben soll die Polizei laut dem Autor des Artikels in der Wohnung dieser „Frau K.“ eine Art „Lebensversicherung“ von Tarek Mousli, in der er Mittäter bei RZ-Aktionen aufgelistet haben soll. Ob ein Schriftstück dieser Art gefunden wurde, ist unklar. 14.12.1999 Der Anwalt von Tarek legt sein Mandat nieder. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, daß Tarek nun Sachen macht, die selbst sein mit ihm seit Jahrzehnten befreundeter Anwalt nicht mittragen kann. Doch diese Information wird nicht offensiv bekanntgemacht. Spätestens an diesem Tag hatte Tarek begonnen, Aussagen zu machen, denn die Haftbefehle gegen Axel, Harald, Sabine und Rudolf sind mit diesem Tag datiert. Genauso die Durchsuchungsbefehle für den Mehringhof. Da davon auszugehen ist, daß Tarek das Kronzeugengesetz in Anspruch nimmt, wird er in Zukunft sich mit Hilfe der Justiz eine neue Idendität zulegen dürfen. 19.12.1999 Der Mehringhof und die Privatwohnungen von Axel, Sabine und Harald werden durchsucht. Rudolf erhält in seiner Zelle, in der er aufgrund einer weiteren Denunziation durch Hans-Joachim Klein sitzt, einen zweiten Haftbefehl überreicht. Im Mehringhof wird trotz eines Großaufgebots von 1.000 Polizisten nicht das dort vermutete Waffenlager der RZ gefunden. Aus den Durchsuchungsbeschlüßen geht hervor, daß die Gründe für die Durchsuchungen und die Festnahmen auf Aussagen von Tarek beruhen („Nach Angaben von Tarek Mousli....“). Gerüchten zufolge hat Tarek bis zu fünfzig Namen preisgegeben, die er für Anhängerinnen der RZ hält. 27.12.1999 In einem Focus-Artikel wird eine Liste mit fünfzig Namen von Anhängern der RZ genannt. Ob die Liste existiert und dies einejuristische Relevanz für die Genannten hat, ist unklar, da die meisten Sachen verjährt sind. Daß die BAW Probleme mit den Verjährungsfristen hat zeigt auch ihr in dem Artikel beschriebener Versuch, die letztlich tödlich verlaufenden Schüsse auf die Beine des hessischen Wirtschaftsministers Karry 1980 nicht wie es offenkundig den Tatsachen entspricht, als „Körperverletzung mit Todesfolge“, sondern als „Mord“ zu verfolgen. Dies würde der BAW ein Ausdehnen der Verjährungsfristen gegen unendlich ermöglichen - Mord verjährt nicht. 04.01.2000 Tarek soll weitere Aussagen machen und wird von den Verhörern auf Unstimmigkeiten seiner früheren Aussagen hingewiesen, die er nun bereitwillig korrigieren soll.


Die Redaktion der Berliner Informations- und Kommunikationsbroschüre „Interim“ kommentiert in der Nr. 492 unter dem Titel „der Verrat eines Märchenprinzen“ die Aussagen Tarek Mouslis wie folgt: Der Verrat eines Märchenprinzen Das ist die schlimmste Form von Verrat - an ehemaligen politischen Freundinnen, an einer ganzen Szene, an der Utopie gesellschaftlicher Veränderung. Tarek Mousli, ehemaliger Aktivist der linksradikalen Szene Berlins, sitzt seit Ende vergangenen Jahres im Knast und hat sich dort der Justiz als Kronzeuge zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich für eine neue Identität, für eine ganze Stange Geld und für eine offenbar bereits lang ersehnte Loslösung von seiner politischen Vergangenheit verrät Tarek alle und jeden, die er in seiner Politkarriere kennengelernt hat oder kennengelernt zu haben meint. Dicke Ordner füllt inzwischen, was Tarek an tatsächlichen und erfundenen Details über Personen und politische Zusammenhänge den Bullen ins Mikro plaudert. Dabei ist Tarek offenbar nicht zimperlich. Teilweise revidiert er bereits Gesagtes in späteren Vernehmungen, teilweise ergänzt er und befördert Einzelpersonen in den Rang politischer Kader - oder „Terroristinnen“. Direkt nach seiner zweiten Verhaftung im November begann Tarek zu reden und er hört noch lange nicht damit auf. Was sich die Bullen immer ersehnt haben scheint sich zu erfüllen: Einer der redet, einer, der ihnen die Zusammenhänge weit über den vermeintlichen RZ-Komplex hinaus darlegt - und gewillt ist zu sagen, was sie hören wollen. Dabei zeigt sich mehreres: Seine Aussagen sind willkürlich, er kombiniert kreativ und auch wenn man/frau wenig oder sogar nichts mit ihm zu tun hatte, könnte er oder sie im Strom seiner Aussagen auftauchen. (...)