Zur Lage in der Türkei...

Hier findet ihr, wie immer, aktuelle Info´s zur aktuellen Situation in der Türkei. Im vergangenen Monat hat die Repression gegen die Opposition unverändert angegehalten. Hausdurchsuchungen, Razzien, Demonstrationsverbote und andere Maßnahmen sind nach wie vor an der Tagesordnung. Am 153. Tag hat es den ersten Toten im Todesfasten gegeben. Dennoch ist der Widerstand der Gefangenen ungebrochen. Das Todesfasten wird fortgesetzt. Zum 8. März und zum Newroz - Fest (kurdisches Neujahrsfest) hat es in der Türkei in mehreren Städten Massendemonstrationen gegeben. So feierten beispielsweise in Istanbul, trotz Verbots, 25.000 und in Diyarbakir 500.000 Menschen das Newroz - Fest. Aufgrund von Platzmangel können wir euch diesesmal nur in äußerst begrenztem Rahmen Informationen zur Verfügung stellen. - Beim näxten Mal gibt´s wieder mehr.... Ihr könnt aber na klar selbst noch mal gucken. Info´s zum Stand der Dinge findet ihr unter: www.nadir.org/isku, www.noisolation.de, www.sooderso.de


Mord während Hausdurchsuchungen
Am 15.03.01 wurde im Rahmen der routinemässigen Hausdurchsuchungen in der Umgebung des Gefängnisses in Aydin, Resul Aydemir auf seine Frage nach einem Durchsuchungsbefehl von Polizisten brutal zusammengeschlagen und ermordet. Daraufhin lieferten sich AnwohnerInnen Strassenschlach-ten mit der Polizei. Mehrere Polizeifahrzeuge wurden zerstört und zur Verstärkung der Polizeikräfte wurden Jandarma-Einheiten in das Viertel gebracht. Es folgt eine Meldung aus der Yeni Gündem vom 18.03.01:
Mord von Aydin im Parlament
(...) Der Mord an Resul Aydemir im Rahmen von Hausdurchsuchungen in Aydin wird im Parlament behandelt. In einer offiziellen Anfrage an Innenminister Tantan brachte der FP-Abgeordnete Mehmet Bekar-oglu seine Zweifel an der Existenz einer Erlaubnis für die Durchsuchungen in der Region zum Ausdruck und fragte nach der Ursache des Todes. Weiter heisst es in der Anfrage Bekaroglus: „Wird diese Art von Vorfällen in der Türkei fortgesetzt werden? Wann wird die Türkei ein Land werden, in der Demokratie und Menschenrechte gesichert sind?“ Gegenüber unserer Zeitung wertete Bekaroglu den tödlichen Vorfall in Aydin als eine „gefährliche Entwicklung“, die nicht zu akzeptieren sei. (...) In einem von MAZLUM-DER Izmir zusammengestellten Bericht, der auf Aussagen von Verwandten Aydemirs und AnwohnerInnen des Stadtviertels basiert, (...) heisst es, dass ein Hauptkommissar namens Gökhan den Polizisten den Befehl gegeben habe „Schlagt diesen Ehrlosen, bringt ihn um, ich übernehme die Verantwortung“. Weiter wird festgehalten, dass die AnwohnerInnen den Vorfall als „unmenschliches Verbrechen, dass durch die Hand öffentlicher Bediensteter durchgeführt wurde, die für die Lebenssicherheit Verantwortung tragen“ werten. (...) In einer Erklärung des IHD Istanbul (...) heisst es, dass nach dem Bericht der IHD-Zweigstelle Aydin Resul Aydemir von Polizisten ermordet wurde. Der IHD forderte den Gouverneur und den Polizeidirektor von Aydin zum Rücktritt auf. (...) Die genaue Todesursache Aydemirs wird eine Untersuchung ergeben. Bei der ersten Autopsie sind Proben entnommen worden, die in der Gerichtsmedizin in Istanbul und Izmir analysiert werden. (...)


Aus einer Presseelkärung des IKM (Komitee gegen Isolationsfolter) HH vom 21. 03.01
Am 153. Tag des Todesfastens hat Cengiz Soydaz in dem F - Typ - Gefängnis Sincan sein Leben verloren Das Todesfasten dauert an. Der Widerstand wird fortgesetzt.
Heute am 153. Tag des Todesfastens ist der Todesfastende Cengiz Soydas getötet worden, als er von dem F - Typ Gefängnis Sincan zum Krankenhaus verlegt wurde. Die Verantwortlichen sind der Weltöffentlichkeit bekannt. Es ist der faschistische türkische Staat. Seit 153 Tagen sind die politischen Gefangenen in der Türkei im Hungerstreik. Neben vielen politischen Forderungen fordern die Gefangenen die Abschaffung der F - Typ Isolationsgefängnisse. (...) Ca. 1200 Gefangene wurden in die neu gebauten F - Typ Isolationsgefängnisse verlegt. Dort wurde die Folter unaufhörlich fortgesetzt. Zwangsernährungen, Vergewaltigungen, Schläge und systematische Folter gehören zum Alltag der politischen Gefangenen. Hunderte der Gefangenen sind jetzt an der Schwelle des Todes. Bei den meisten todesfastenden Gefangenen zeigen sich folgende Symptome: Blut im Urin, Vergesslichkeit, Schwindel, Schwierigkeiten bei der Einnahme von Zucker und Salz, Schlaflosigkeit, Kopf - und Gliederschmerzen, Beeinträchtigung der Sehfähigeit, Zerstörung der inneren Organe.


Veranstaltungsbericht
Am 19.März fand im Alhambra im Rahmen einer Veranstaltungsreihe, eine - mit über 60 Leuten recht gut besuchte - Veranstaltung zur Situation in der Türkei statt. Peter Nowak, freier Journalist aus Berlin und Selcuk Kozagacli, Rechtsanwalt aus Ankara berichteten über den Widerstand der Todesfastenden in der Türkei, die Situation nach der Erstürmung der Gefängnisse und die Einführung der Isolationshaft, die von der EU zum Aufnahmekriterium für die Türkei gemacht wurde. Nicht anwesend waren hingegen die Angehörigen der politischen Gefangenen, die auf der Veranstaltungsreise durch die BRD über die Situation der revolutionären AktivistInnen berichten wollten. Das deutsche Generalkonsulat hatte ohne Angaben von Gründen die Ausstellung der Einreisevisa für die Angehörigen verweigert. Als Protest gegen diese Maßnahme wurde vom Bündnis gegen Isolationsfolter (Oldenburg) nachfolgende Presserklärung gefaxt. Im Anschluß an die Veranstaltung fanden sich spontan um die 30 Leute zusammen, die diese (die Presseerklärung, Anm. der TipperIn) in der Innenstadt zu plakatieren.
Bündnis gegen Isolationsfolter Oldenburg c/o Alhambra, Hermannstr.83, 26135 Oldenburg


Presseerklärung

Seit dem 19. Oktober 2000 befinden sich über 1000 politische Gefangene in der Türkei in einem unbefristeten Hungerstreik/Todesfasten. Der Widerstand der Gefangenen richtet sich gegen die Einführung der Isolationshaft, die wiederum Bedingung der EU zur Aufnahme der Türkei ist. Nach deutschem Vorbild wurden in der Türkei bereits mehrere Isolationsgefängnisse (F -Typ - Gefängnisse) gebaut. Hierfür reiste im März 1990 eine türkische Delegation nach Deutschland und ließ sich das wohl berühmteste deutsche Isolationsgefängnis Stuttgart - Stammheim „vorführen“...

Zwei Monate nach Beginn des Hungerstreiks/Todesfastens - also am 60.Tag - wurden in der Türkei 20 Gefängnisse in einer blutigen, militärischen Aktion gestürmt. Über 30 Gefangene wurden ermordet, einige von ihnen bei lebendigem Leibe verbrannt. Darüberhinaus wurden 2000 politische Gefangene in die neuen Isolationsgefängnisse verlegt. Unter ihnen hunderte Verletzte, denen bis jetzt jegliche medizinische Versorgung verweigert wurde. Parallel dazu wurden bereits dutzende der todesfastenden AktivistInnen zwangsernährt, um ein aufsehenerregendes Massensterben in den Gefängnissen zu verhindern. Diese Zwangsmaßnahme führte bereits mehrfach zu bleibenden, massiven Behinderungen.

Zeitgleich mit dem Massaker in den Gefängnissen wurde die Repression gegen alle oppositionellem Kräfte außerhalb der Gefängnisse massiv verschärft: Angehörigenvereine wurde geschlossen, die Rechtsanwalts- und Ärztekammer kriminalisiert, Demonstrationen verboten, eine Nachrichtensperre, die bis heute nicht aufgehoben wurde, verhängt. Wieder sind Oppositionelle „verschwunden“, erneut maschierten türkische Einheiten in Südkurdistan ein. Für das bevorstehende Newroz Fest am 21. März werden Angriffe erwartet. - Die jetzige Situation ist vergleichbar mit der Situation vor dem Militärputsch 1980.

Dass sich die europäischen Staaten, also auch Deutschland, zu den Ereignissen in der Türkei nicht vehalten haben, obwohl diese den Status einer Beitrittskandidatin hat, kann nur als Zustimmung für das Gefängnismassaker, für die Repression und die Angriffe gewertet werden.

In diesem Zusammenhang steht auch die Verweigerung der Einreisevisa durch das deutsche Generalkonsulat für zwei Angehörige der todesfastenden Gefangenen, die auf mehreren Veranstaltungen in der BRD über die aktuelle Situation in der Türkei berichten wollten. Es ist anzunehmen dass mit dieser Praxis der BRD - Behörden eine Berichterstattung über die Situation in den Gefängnissen in der Türkei verhindert werden soll.

Wir protestieren auf´s Schärfste gegen das Einreiseverbot der Angehörigen!

Wir solidarisieren uns mit den politischen Gefangenen!

Weg mit der Isolationsfolter! Überall!

Bündnis gegen Isolationsfolter Oldenburg c/o Alhambra, Hermannstr.83, 26135 Oldenburg


Veranstaltung zu Isolationshaft mit Ilse Schwipper
(ehemalige Gefangene der Bewegung 2.Juni)
am 23.04. 01 um 20.00.Uhr im Alhambra
Hermannstr.83, Oldenburg

Isolation ... ist lautloses Schreien, das dich erfüllt, dich ersticken will und manchmal aus dir herausquillt, laut wird, damit du (d)eine Stimme hörst. Isolation ist kaltes Grauen, das in den Zellenecken nistet und nachts herauskriecht, wenn du vor Sehnsucht - nach einem Menschen, der dich wärmt - nicht einschlafen kannst. Isolation ist das langsame, unaufhaltbare Absterben, erst deines Körpers, dann deiner Seele, ist, lautlose, saubere, totale Vernichtung.“

Ilse Schwipper, ehemalige Gefangene der Bewegung 2. Juni, wird in der Veranstaltung zunächst einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung von Isolationshaft geben. Im zweiten Teil geht es um die Haftbedingungen. Wie sehen Isolationszellen in der BRD konkret aus? Was heißt es bei 23 Stunden Zelleneinschluß nur eine Stunde Hofgang zu haben? Gegen wen wurde/wird Isolationshaft eingesetzt?
Außerdem werden Auswirkungen von Isohaft beleuchtet und verdeutlicht, wie die Gefangenen zum begehrten Forschungsobjekt der Wissenschaft wurden/werden. Das Mittel der Isolationshaft wurde und wird immer weiter perfektioniert und ist, wie auch an der aktuellen Entwicklung in der Türkei zu sehen ist, inzwischen EU - Standard. In der Veranstaltung wird es ebenfalls Thema sein, dass es trotz allem auch in der Isolationshaft die Möglichkeit gibt, Widerstand zu leisten und sich als revolutionäres Subjekt nicht aufgeben zu müssen.
Ilse Schwipper saß selber jahrelang in Isolationshaft und wird versuchen, die Dimension des Grauens dieser Haftbedingungen greifbar zu machen.