Zur Lage in der Türkei...

Seit der militärischen Erstürmung der türkischen Gefängnisse, bei der 32 Menschen ermordet und über 2000 politische Gefangene in F -Typ - Gefängnisse verlegt wurden, hat sich die Situation in der Türkei drastisch verschärft. Das gilt sowohl für die Lage in den Knästen, als auch für die Verhältnisse draußen.Die politischen Gefangenen befinden sich mittlerweile seit über 100 Tagen im unbefristeten Hungerstreik bzw. im Todesfasten.

Yeni Gündem , 20.1.01

Repression gegen HADEP

Innerhalb des letzten Monats wurden über 300 HADEP-Mitglieder und Leitungsmitglieder festgenommen. 12 Leitungsmitglieder wurden verhaftet. Innerhalb einer Woche wurden 11 Provinz- und Ortsorganisationen von der Polizei überfallen. Die politischen Gefangenen, die bei der Operation im Gefängnis Bayrampasa schwer verletzt wurden, berichteten vor der Staatsanwaltschaft Eyüp von dem Grauen, dem sie ausgesetzt waren. Einige Freunde, die durch das eingesetzte Nervengas ohnmaechtig wurden, seien bei lebendigem Leibe verbrannt. Der Einsatz der Feuerwehr sei von den Militärs verhindert worden. Gegen die Überlebenden der Operation in Bayrampasa, bei der 12 Gefangene ums Leben kamen, ist ein Verfahren wegen Durchführung eines Aufstandes und Beschädigung staatlichen Eigentums eingeleitet worden. (...)

Yeni Gündem, 23.1.01,

Elfjaehrige PKK-Unterstützer

Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen 28 Kinder, die sich in Viransehir an einer verbotenen Kundgebung beteiligt haben sollen, sind beendet. Die Staatsanwaltschaft am DGM Diyarbakir entschied im Fall von 15 Kindern auf Nichtverfolgung wegen Mangels an Beweisen. Gegen 13 Kinder im Alter zwischen 11 und 16 Jahren wurde ein Verfahren wegen Unterstützung der PKK eröffnet. Nach Art. 169 können sie zu bis zu fünf Jahren Haftstrafe verurteilt werden. Sechs der Kinder befinden sich immer noch im Gefaengnis. (...)

Yeni Gündem 24.1.01,

Türk zu Amnestie und F-Typ Ankara.

Im Rahmen einer TV-Sendung gab Justizminister Türk gestern bekannt, dass von dem Gesetz zur bedingten Freilassung und Verschiebung der Strafen insgesamt 23 314 Personen profitiert haben, davon 929 Untersuchungshäftlinge und 22 385 Strafgefangene. Zum Thema F-Typ liess Türk verlauten, dass die grundlegende Sorge der F-Typ-Kritiker darin bestehe, dass die politischen Gefangenen ihre alte Herrschaft nicht fortführen könnten. Weiter erklärte er: „Wenn es in den F-Typ-Gefängnissen an irgendetwas mangelt, sind wir bereit, das zu beheben. Im Fall, dass das Todesfasten beendet wird, werden wir die Diskussion über den F-Typ unter Hinzuziehung ausländischer Experten und der betreffenden Berufsgruppen eröffnen."

Vergewaltigung im F-Typ

Nach den bekannt gewordenen Faellen von Vergewaltigungen in Kandira erklaerte jetzt auch ein Gefangener aus Sincan, dass er vergewaltigt worden ist, nachdem er es abgelehnt hatte, als Spitzel und `Abschwörer' tätig zu werden. Die Schwägerin des 23jährigen Hüseyin Tiryaki, der nach der Verlegung von Ceyhan nach Sincan ins Todesfasten getreten war, Hatice Tiryaki teilte dazu mit: „Ich habe ihn am 20.1. im Gefängnis besucht. Er ist in einer Dreierzelle. Sein Gesicht war ganz blass. Er sagte: `Bei jeder Zählung kriegen wir Schläge. Es ist ein typisches Nazilager hier.' Er humpelte und erzählte, dass er geschlagen wurde, bis seine Rippen brachen. Später sagte er, dass er nach der Verlegung belästigt worden ist. Es fiel ihm schwer, manche Dinge zu erzählen, er hat sich geschämt. Dann meinte er: `Sie drängten mich dazu, abzuschwören. Ich habe nicht eingewilligt. Da haben sie mich vergewaltigt.' Ich wollte, dass er Einzelheiten berichtet, wie das vor sich gegangen ist. Er hat sich geschämt, ich konnte seine Verlegenheit verstehen." Hatice Tiryaki, deren Mann Halil sich im gleichen Gefängnis befindet, berichtete weiterhin: „Ich habe Hüseyin gefragt, ob er seinem Bruder davon erzählt hat. Er sagte: `Wir konnten uns nur zehn Minuten sehen. Um ihn nicht traurig zu machen, habe ich es nicht erzählt.'" Einen Tag vor den Feiertagen sei sie zum Gefängnis gefahren, so Hatice Tiryaki. Da ihr Schwager nicht auf der Besuchsliste gestanden habe, hätte sie nur ihren Mann treffen können. „Das habe ich meinem Schwager erzählt. Er sagte, dass die Vergewaltigung an jenem Tag stattgefunden habe und er wegen seines schlechten Zustandes nicht zum Besuch zugelassen wurde." Die Vorkommnisse habe sie auch einer Delegation der Ärztekammer Ankara, die im Gefängnis eine Untersuchung anstellte, sowie dem begleitenden Gefängnisstaatsanwalt berichtet. „Falls das Notwendige nicht unternommen wird, werde ich gegen alle Zuständigen, die dazu schweigen, Anzeige stellen."`

F-Typ'-Ermittlungen gegen Anwaltskammer

Nach Aufforderung des Justizministeriums hat die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen gegen die Istanbuler Anwaltskammer wegen Unterstützung der Proteste gegen den F-Typ begonnen. Mit den Ermittlungen soll die Auflösung der Anwaltskammer erreicht werden. (...)

Cumhuriyet, 25.1.01
Aussagen zu Folter in Gebze

Nach Aussage der Gefängniskomission des IHD Istanbul wird seit der „Rückkehr zum Leben"-Operation im Gefängnis Gebze eine Repressionspolitik angewandt und versucht, die Gefangenen zu isolieren. In einer Erklärung heisst es, dass Sicherheitskräfte die weiblichen Gefangenen in der Gemeinschaftszelle bei Durchsuchungen nackt ausgezogen haben und es Vergewaltigungen gegeben hat. Die in den F-Ty-Gefängnissen geltenden Bestimmungen werden auch in Gebze umgesetzt. Der IHD forderte: „Um nicht zum Betrachter neuer Todesfälle zu werden, muss die Regierung Schritte zu einer Lösung unternehmen."

Clara Schmidt