Offener Brief ehemaliger Bekannter an den für die Bundesanwaltschaft tätigen Kronzeugen Tarek Mousli
Tag Tarek!
Wir haben
uns schon lange nicht mehr gesehen. Nach deiner ersten Inhaftierung im Frühjahr
1999 hast du jeden Kontakt zu einzelnen von uns abgelehnt. Ende November 1999
erfuhren wir von deiner zweiten Inhaftierung im Zusammenhang mit Vorwürfen
einer angeblichen Mitgliedschaft bei den Revolutionären Zellen. Wenig später
hast du gegenüber den Ermittlungsbehörden begonnen, umfangreiche Aussagen
über die angebliche Verwicklung von konkreten Personen in Aktivitäten,
dieser nicht mehr existenten Gruppe zu machen. In deinen Aussagen hast du den
Ermittlungsbehörden zudem eine Unzahl von Namen ehemaliger Genossen und
Genossinnen genannt. Eine Folge davon war der zweimalige, zum Teil zerstörungswütige
Besuch" von bis zu 1.000 Polizisten im Mehringhof, um den dort angeblich
versteckten Sprengstoff zu finden. Doch weder den, noch irgendwelche Spuren
davon haben die staatlichen Behörden gefunden. Zumindest da ist für
jeden offensichtlich, daß du deinen Vemehmungsbeamten Unfug erzählst.
Nichts desto trotz hast du aber mit deinen Aussagen dafür gesorgt. sechs
Leute, die wir zum Teil gut kennen, mittlerweile für fast ein Jahr in den
Knast zu bringen. Eine wahrlich deprimierende Bilanz für einen ehemaligen
Genossen aus den vielfältigen autonomen Bewegungen der 80er Jahre. Tarek,
du weißt, wie wenig wir in den letzten Jahren miteinander zu tun gehabt
haben. Bei den einen ergab sich das so zufällig wie das Leben selbst, bei
den anderen wirst du dich vielleicht selbst noch an die guten Gründe dafür
erinnern können, warum sie kein Interesse an einem Kontakt mit dir hatten.
Da und dort warst du für einige von uns noch Gegenstand privater Anekdoten.
Nicht alle haben vergessen, was du auch an guten Sachen" für
die autonomen Bewegungen gemacht hast. Einige von uns können sich noch
gut daran erinnern, daß sie gerne mit dir diskutiert haben und zu Demos
gegangen sind. Und mancher Polizist mußte bei Auseinandersetzungen aufgrund
deines praktischen Engagements einsehen, daß eine Festnahme unmöglich
ist. Doch nun hast du dich - aus welchen Gründen auch immer - dazu entschlossen,
eine ganze Reihe von uns zum Teil gut bekannten Leuten bei der Staatspolizei
anzuschwärzen; und das nicht nur im heute noch strafrechtlich relevanten
Sinne über angebliche Mitglieder der RZ, sondern auch über Beteiligte
an vielfältigen autonomen und antifaschistischen Aktionen. Zeigt
mir die Lichtbilder, und ich sage euch, wer was wann wo gemacht hat", so
lauten sinngemäß deine Worte gegenüber deinen Vernehmungsbeamten.
Die einen von uns waren davon absolut geschockt, für andere wiederum war
dies nur eine Bestätigung, was sie dir schon immer zugetraut hatten. Gefragt
haben wir uns aber alle, was du dir eigentlich dabei denkst, ausgerechnet gegenüber
der Polizei über eine Geschichte irgendwelche Aussagen zu tätigen,
an der wir in den 80er Jahren mit mehreren zehntausend Leuten in der BRD in
einem politischen wie gesellschaftskritisch engagierten Sinne beteiligt waren.
Die Binsenwahrheit, daß sich die Zeiten" und damit die politischen
Handlungskonstellationen gegenüber den 80er Jahren gravierend verändert
haben, gibt dir nicht das Recht dazu. Und von uns bekommst du dafür auch
nicht einen Millimeter Verständnis oder Zustimmung. Im Augenblick hast
du ein falsches Leben mit wahrscheinlich viel" Geld und neuer ,,Identität
(!)" gewählt. Tarek - auch bei allem, was bei dir in deinen persönlichen
Lebenszusammenhängen noch ungeklärt ist - du kannst dir denken, wie
groß unsere Verachtung für so ein niederträchtiges Verhalten
ist.
Durch deine intensive Zusammenarbeit mit der Polizei hast du jede Möglichkeit zerstört, an dich appellieren zu können, als gäbe es noch eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Aber dennoch irrst du dich, wenn du glaubst, das du damit frei bist zu tun, was du für dich für nützlich hältst. Wir garantieren dir unser unmißverständliches NEIN, wenn du glaubst, mit Teilen unserer politischen Geschichte - mit all" ihren guten wie schlechten Seiten - so billig vor der Polizei und auf Kosten von sechs von dir in den Knast gebrachten Leuten abrechnen zu können. Es ist aber auch wahr, daß man nur in den Filmen von James Bond so einfach" die Seiten wechseln kann. Du wirst damit konfrontiert werden, wenn das Gericht dich dazu auffordert, in der konkreten Gegenüberstellung die Gefangenen mit der Wiederholung deiner aktenkundigen Einlassungen für Jahre im Kerker verschwinden zu lassen. Da hast du dann die letzte Chance, deine Aussagen zurückzunehmen. Nicht nur in einem politischen Sinne finden wir, daß du diese letzte Chance, auch um deiner selbst willen, unbedingt ergreifen solltest. Deshalb haben wir auch keine Probleme damit, dich hiermit aufzufordern deine bei der Polizei, Bundesanwaltschaft und sonstigen Staatsschutzbehörden gemachten Aussagen wieder zurückzunehmen. Und deine von den Staatsschutzbehörden bislang erhaltenen Gelder hast du selbstverständlich den Inhaftierten als Wiedergutmachung zur Verfügung zu stellen. Soweit!
Freiheit für Lothar, Axel, Matthias und Harald, Sabine und Rudolf!
Ingrid Schert, Markus Mohr, Carola Kloß, Hans Euler, Wolf Wetzel, Dicky Wulf, Imma Harms