Mehr als 14 Millionen ost- und westeuropäische ZwangsarbeiterInnen mussten während des Zweiten Weltkrieges für die deutsche Volksgemeinschaft und deren Ziel eines tausendjährigen nationalsozialistischen Reiches unter unmenschlischen Bedingungen schuften. Viele dieser Menschen starben oder trugen bleibende gesundheitliche Schäden davon. In Oldenburg erfolgte die Versklavung und Internierung von ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen vor allem in den ersten Kriegsjahren unter Federführung städtischer Ämter.
Im Mittelpunkt stand dabei von 1940 bis 1943 das Projekt des Umgehungsstraßenbaus, das im Dezember 1939 in einer Besprechung von Beamten des Oldenburger Innenministeriums und des städtischen Bauamtes beschlossen wurde. Wesentliches Ziel des Projektes war es, den Militärverkehr aus dem Innenstadtbereich herauszuhalten und eine schnellere Anbindung an den Militärstützpunkt Wilhelmshaven zu gewährleisten. Der Umgehungsstaßenbau wurde zur Grundlage des heutigen Oldenburger Autobahnringes. Zum Bau wurden vor allem ausländische ZivilarbeiterInnen und Kriegsgefangene herangezogen. Für deren Unterbringung veranlaßte das Bauamt die Errichtung von fünf Lagern. Es schloß dazu Verträge mit vier Oldenburger Gastwirten in der Nadorster Straße, der Alexanderstraße, der Hauptstraße und der Ammerländer Heerstraße. Das fünfte Lager wurde in der Schule Drielake an der Schulstraße in Osternburg eingerichtet. Die Belegung dieser Lager lag bei mehr als 500 Personen, davon etwa 100 Polen, 50 Tschechen, 50 Belgier, 250 französische Kriegsgefangene sowie 100 Ausländer verschiedener Nationalität. Die französischen Kriegsgefangenen wurden im Sommer 1941 durch sowjetische Kriegsgefangene ersetzt. Neben dem Einsatz der Insassen der fünf genannten Lager veranlaßte das Bauamt im Laufe der Zeit auch die Heranziehung von Gefangenen aus dem Gerichtsgefängnis sowie dem 1942 geschaffenen Gestapogefängnis an der Stedinger Straße 106 und dem im selben Jahr errichteten Arbeitserziehungslager in der Schule Drielake. Die ZwangsarbeiterInnen mußten neben dem Straßenbau an der beschriebenen Strecke, auch den heutigen Flötenteich ausheben. Die Erde wurde für das Straßenbauprojekt benötigt. In Schlechtwetterphasen begann die Stadtverwaltung die ausländischen Arbeitskräfte an Oldenburger Firmen und Landwirte auszuleihen, die dem Bauamt dafür Beiträge für Unterkunft, Verpflegung, Bewachung, An- und Abtransport zu überweisen hatten. Im Mai 1942 erging der Erlaß, daß für Arbeiter und Polizeigefangene je Mann und Tag 75 Pfennig Lagerkosten an das Stadtbauamt zu zahlen seien. Zuvor waren es 60 Reichspfennig gewesen. Ob die ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen je einen Anteil dieser Gelder als Lohn erhielten ist aus den Akten nicht ersichtlich. Der größte Teil dürfte ohne Zweifel dem Stadtbauamt und der Reichskasse zur Finanzierung weiterer Straßenbauten zugeflossen sein. Die wenigsten ArbeiterInnen erhielten ihren vollen, vom Staat festgeschriebenen Lohn, der verbleibende wurde oft nur in Sparmarken oder sogenanntem Lagergeld ausgezahlt. Die ArbeiterInnen konnten damit lediglich im Lager Grundmittel für den täglichen Bedarf kaufen. Geld nach Hause zu schicken, war selbst, wenn etwas übrig geblieben wäre, für Polen und Ostarbeiter" (d. h. Menschen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion) grundsätzlich unmöglich. OstarbeiterInnen" wurden anfangs bis zu 90% ihres Lohnes weggesteuert, beziehungsweise als Unterbringungskosten im Lager einbehalten. Auch nach dem Stopp des Umgehungsstraßenbaus behielt das Bauamt eine zentrale Funktion bei der Ausweitung und Aufrechterhaltung des Oldenburger Lagersystems. Während die Lager, die für den Umgehungsstraßenbau eingerichtet worden waren, weiterbetrieben wurden, entstanden 1942 in der Stadt zwei weitere große Lager: am Sandplatz Osternburg an der Cloppenburger Straße für ca. 500 Personen und an der Straße Unterm Berg in Donnerschwee für 1000-1500 Personen. In der Lasiusstraße wurde im September 1942 am Dobbenteich ein Lager für italienische Militärinternierte errichtet. Darüber hinaus wurden ZwangsarbeiterInnen 1943 im Auftrag des regionalen Arbeitsamtes zum Aufbau des großen Ostarbeiterdurchgangslagers am Rennplatz verpflichtet. Insgesamt gab es in Oldenburg zwischen 1939-1945 mindestens 60 Lager für ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene. Eine Einzelunterbringung fand nur statt, wenn sich dies durch die Art der Beschäftigung nicht vermeiden ließ. Eine große Zahl von Kleinbetrieben nutzte die städtischen Lager, die ursprünglich für das Umgehungsstraßenprojekt vorgesehen waren, mit. Heute wissen wir, dass in Oldenburg mehr als 200 Betriebe und Landwirte ZwangsarbeiterInnen versklavten. Die Gesamtzahl der in Oldenburg während des Zweiten Weltkrieges geschundenen west- und osteuropäischen ArbeiterInnen liegt bei etwa 20.000. Genaue Angaben lassen sich nicht machen, da Firmenarchive, z. B. in der AOK, bis heute nicht für die Forschung geöffnet werden. Nach Beendigung des Umgehungsstraßenbaus blieben viele ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene bei städtischen Behörden beschäftigt. Sie wurden u. a. zum Bunkerbau und zur Beseitigung von Bomben und Bombenschäden sowie zum Ausheben von Löschteichen eingesetzt. Ein großes Projekt bildete 1944 der Bau des riesigen Luftschutzbunkers an der Moslestraße beim Bahnhof. Weitere große Profiteure der Zwangsarbeit waren in Oldenburg neben der Stadtverwaltung die Reichsbahn, die Glashütte an der Stedinger Straße (heute Peguform), die Fleischwarenfabrik an der Industriestraße, Bauunternehmen und Betriebe, die für die Rüstungsindustrie produzierten, wie die Oldenburger Leichtmetall an der Hermannstraße. Darüber hinaus wurde eine hohe Anzahl von ZwangsarbeiterInnen in der Land- und Forstwirtschaft sowie als Hausgehilfinnen ausgebeutet. Während ZwangsarbeiterInnen aus Westeuropa sich relativ frei außerhalb der Lager bewegen konnten, war dies PolInnen nur zu bestimmten Zeiten möglich. OstarbeiterInnen" durften gar die Lager nur in einer bewachten geschlossenen Kolonne zur Arbeitsstelle verlassen. Zuwiderhandlungen wurden mit Strafen geahndet, wodurch weitere Gelder in die Stadtkasse flossen. Viele ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene starben in Oldenburg an Entkräftung sowie Hunger- und Hygienekrankheiten. Einige fielen im Landeskrankenhaus Wehnen der Euthanasie zum Opfer. Auch Hinrichtungen hat es in der Stadt Oldenburg gegeben. In dem vom regionalen Arbeitsamt Oldenburg verwalteten Ostarbeiterlager" am Rennplatz wurden von 1943-45 ca. 40.000 ZwangsarbeiterInnen interniert, die von dort aus wie auf einem Sklavenmarkt an Betriebe und Landwirte in Oldenburg und Umland vermittelt wurden. Das Lager war für 1400 Personen ausgelegt, in der Endphase des Krieges lag die Belegung jedoch bei ca. 4000 Menschen. Nach einer Statistik überlebten 324 Menschen aus der Sowjetunion das Durchgangslager nicht. Unter den Verstorbenen befanden sich 111 Kinder, von denen 92 noch keine zwei Jahre alt waren. Seit Jahresbeginn 1944 wurden auch niederländische, belgische und französische ZwangsarbeiterInnen in Oldenburg immer häufiger besonderen Arbeitserziehungsmaßnahmen unterzogen, denen sich Polen und OstarbeiterInnen" z. B. wegen angeblicher Arbeitsverweigerung oder unzureichender Arbeitsleistung oder anderer Anklagepunkte von Anfang an ausgesetzt gesehen hatten. Drei Wochen lang mußten derart Verurteilte bei kärglichster Verpflegung täglich mindestens 10-12 Stunden schwerste körperliche Arbeit leisten. Sie waren dabei ständigen Mißhandlungen durch das Bewachungspersonal ausgesetzt. Während dieser Zeit waren sie entweder im Gestapo-Gefängnis an der Stedinger Straße oder im Arbeitserziehungslager Schule Drielake inhaftiert. Vor allem OstarbeiterInnen" kehrten von dort überhaupt nicht selten mehr an ihre Arbeitsstelle zurück, sondern wurden in die Konzentrationslager Neuengamme und Ravensbrück deportiert. Obwohl dies alles bekannt ist, weigern sich die wesentlichen Profiteure der Zwangsarbeit in Oldenburg, d. h. die Oldenburger Fleischwarengruppe, das Busunternehmen Pekol, der große Gemischtwarenbetrieb C. W. Meyer, die Bauunternehmen Lieke, Freytag und Johann Husmann sowie nicht zuletzt die Stadtverwaltung bis heute selbst minimale Entschädigungssummen zu zahlen. Ob und wenn ja, wie dagegen öffentlicher Druck zu entfalten ist, soll Thema der Diskussion am 11. Juni sein.