Rote Flora verteidigen!


Info- und Diskussionsveranstaltung
Die Rote Flora ist seit 1989 besetzt und wird als autonomes Stadteilzentrum genutzt. Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte das Zentrum durch politische Auseinandersetzungen gegen Umstrukturierung und Aufwertung im Schanzenviertel. Dabei wandelten sich in den letzten Jahren die Schwerpunkte von der Verhinderung von Großprojekten zu einem Widerstand gegen Ausgrenz-ung und Vertreibung von sogenannten Randgruppen aus dem öffentlichen Raum. Die Flora ist jetzt nach 11 Jahren Besetzung von einer Räumung bedroht. Um über das Projekt und politische Hintergründe zu informieren, zeigen einige FloristInnen kurze Filmbeiträge der letzten Zeit und berichten über
- Drogenverbotspolitik und Rassismus
- Repression im Schanzenviertel
- die aktuelle Situation

Anschließend soll eine Diskussion über die Position der Flora und Möglichkeiten der Solidarität stattfinden.

Außerdem wird ein Film zur Drogenverbotspolitik in Hamburg und der Umgang der Flora damit gezeigt werden.

Donnerstag, 22.3. 01 um 20.30 Uhr Alhambra


Verträge und die Drohung einer Räumung wehen in diesen Tagen wie nie zuvor vor unseren Toren. In welcher Richtung treibt uns der Wind der Zeit, wer schreibt die Geschichte der Tränen und wie widerstehen wir der Versuchung der Macht? Wir wollen uns nicht beklagen, das Leben wird gelebt und nicht doziert, doch wohin geht die Reise?
Ganz klar, damit uns der Schreck nicht am Boden festnagelt müssen wir uns bewegen ! Beginnen wir also den Tanz...
Mehr Infos und Kontakt: http://www.roteflora.de

Die Rote Flora ist in Hamburg den meisten als hippe Location oder Terrorzentrum von Chaoten bekannt. Doch was hinter den historischen Mauern verborgen ist, ist weit mehr als diese Stereotypen. Seit die Stadt dem Projekt Verträge in Aussicht gestellt hat und die CDU es sofort dem Erdboden gleichmachen will, ist das Zentrum wieder einmal in der öffentlichen Diskussion. Wir sind eine AG aus der Flora und wollen mit diesem Flugblatt über das Projekt und die Situation im Stadtteil informieren, einen Blick auf die derzeitige polizeiliche Repression werfen und unser sich daraus ableitendes Verhältnis zu Verträgen beschreiben.

Aufbau F und digital Beats

Die Flora ist kein homogenes Projekt, sondern ein Dreh- und Angelpunkt vieler sehr unterschiedlicher Interessen. Wir sind seit elf Jahren besetzt. Dieser Status ist bedeutungsvoll für unsere praktische Arbeit. Es gibt in der Flora zum Beispiel keine bezahlten Stellen. Alle Arbeit findet ehrenamtlich statt und niemand verdient daran. Alles Geld, das reinkommt, wird weggespendet, dient zum Aufbau und Erhalt des Hauses oder der politischen Arbeit aus ihm heraus. Der illegale Status hat auch bewirkt, daß die Flora sich in den letzten Jahren immer so verändert hat, wie die Leute, die sie nutzen, es wollten. Da der Raum illegal ist, macht es keinen Sinn, auf lange Zeiträume zu bauen. So ist das Haus mit den Menschen, die kommen und gehen immer mit im Wandel.

Ruhig war es dabei um das Gebäude nie. 1989 ist die Rote Flora aus den Kämpfen gegen das Musicalhaus „Phantom der Oper" hervorgegangen. Der größte Teil des historischen Flora-Theaters wurde zwar abgerissen, die Reste aber Ende 1989 besetzt. Die Flora war zu diesem Zeitpunkt eine Ruine im Rohbau. Vorder- und Rückwand fehlten, ebenso wie Fenster, Heizung oder Sanitäranlagen. Alles dies wurde in den letzten 11 Jahren durch Unmengen an Arbeit in Selbsthilfe und ohne städtische Gelder ausgebaut und über Spenden, Konzerte und Partys finanziert. Die Flora, so wie sie heute ist, ist nur durch den Widerstand, die Aufbauleistung und den selbstorganisierten Kulturbetrieb ihrer NutzerInnen entstanden. Wir sehen daher überhaupt keinen Anlass für irgendwelche Ansprüche der Stadt an das Gebäude. Die Flora war, ist und bleibt auch in Zukunft denen, die etwas in ihr machen.

Ohne Utopie in den Wahnsinn

Wir sind in der Flora selten einmal einer Meinung und deshalb streiten wir uns auch häufig. Das ist oft lästig und nervt auch ziemlich. Manche machen daher mal Pause oder verlassen das Projekt ganz und machen woanders weiter. Aber genau deshalb ist dieser Raum auch wichtig, um immer wieder neue Sachen zu entwickeln. Als Anfang der Neunziger ein erbitterter Streit um neue Musikstile geführt wurde, fand dieser auch in der Flora statt. Weil sich dort die verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen immer wieder überschnitten, entstand eine Auseinandersetzung um Sexismus und Körperkult vs Homophobie und die Festgefahrenheit autonomer Lebenskultur. Auch an anderen politischen Themen knallte und knallt es immer wieder heftig. Am Verhältnis zum Stadtteil, an der Positionierung zur Drogenszene vor der Haustür oder im Bemühen um ein undogmatisches Zentrum ohne Hierarchien. Gerade der Streit in solchen Auseinandersetzungen hat die Flora belebt und etwas in den Köpfen von uns selbst und aus der Flora heraus bewegt.

Die Zeiten sind mies und natürlich herrscht deshalb auch bei uns nicht eitel Sonnenschein. Illusionen darüber, daß die Revolution vor der Tür steht, haben kaum noch welche von uns. Aber gemeinsam ist uns allen die Unzufriedenheit mit dem Bestehenden und unser Bedürfnis nach Revolte und Veränderung. Die Flora steht für ein politisches Projekt, dessen gemeinsames Interesse nach wie vor eine Mobilisierung gegen die herrschende Weltordnung ist. Sie ist aber auch ein widerständisches Projekt im Stadtteil. Die StadtplanerInnen sehen mit Grausen auf unser Gemäuer, während sie an der Aufwertung, Sanierung und Umstrukturierung des Schanzenviertels basteln. Wir sehen die uns angebotenen Umarmungen von städtischen Gremien dabei als Vereinnahmungsversuche, uns zwar als Fassade zu erhalten, uns aber gleichzeitig den störenden Zahn zu ziehen. Wir werden uns aber nicht einrichten in dieser Welt, in der Sauberkeit und Ordnung als Ausgrenzungsmodell zelebriert wird. Wir sehen uns trotz aller Widersprüche, lieber solidarisch an der Seite derer, die hier keinen Platz haben sollen. Das verändert vielleicht erstmal nicht viel und macht uns auch nicht zu besseren Menschen, aber es ist ein Anfang von Veränderung. Wir haben im Haus keine gemeinsame und feststehende Utopie oder Ideologie, sondern teilen uns inhaltliche Versatzstücke unterschiedlicher Herkunft und vieler Sichtweisen. Dies gibt dem Projekt eine Dynamik, die an besseren Tagen unsere Sehnsüchte weckt und unserem Bedürfnis nach einem anderen Leben Ausdruck verleiht. Wo Veränderung ist, ist auch die Angst derer, die wollen, daß Alles beim Alten bleibt, und so sind auch wir von polizeilicher Repression betroffen.

Politische Repression

Das sieht z.B. so aus, daß die Bullen im Umfeld der Flora ständig nerven. Die seit 1995 im Stadteil eingesetzte zivile P-Schicht hat ein Eigenleben entwickelt und führt, wie die berüchtigte ehemalige E-Schicht, einen Privatkrieg gegen die Floraszene. Die P-Schicht soll durch Aufklärung (sprich Observation) Orts- und Milieukenntnisse erwerben, Personen auf der Strasse erkennen und so ein Bild der Szene im Viertel entwickeln. Eingesetzt sind sie im Schanzenviertel, im Karoviertel und bei Heimspielen des FC St. Pauli. Die Zivibullen besuchen im Rahmen dieser Tätigkeit Veranstaltungen in der Flora und lungern um die Flora herum. Auf der Strasse grüßen sie in bedrohlicher Weise ihnen bekannte Personen und kontrollieren die Personalien von ihnen Unbekannten. Immer wieder inszenieren sie Strafverfahren und regelmäßig schicken sie alles, was ihnen verwertbar erscheint, der Staatsschutzabteilung des LKA zu.

Einzelne vermeintlich aktive Personen aus dem Floraumfeld werden im Rahmen der Aufklärung während antifaschistischer Demonstrationen (z.B. letztes Jahr in Bergedorf) , observiert und sollen auch schon mal ohne Begründung zur Gefahrenabwehr festgenommen werden. Das alles passiert wohlgemerkt nicht dort, wo die Nazis aufmarschieren und zurecht gestört werden, sondern am gleichen Tag und Abend im Schanzenviertel. Dieses Einsatzkonzept nennt sich im Behördenjargon dann Bürgernähe, Dialogaufbau
und Stärkung des Sicherheitsempfindens. Bedenklich sind dabei nicht nur die vorkommenden Straftaten im Amt, sondern auch das generelle Einsatzziel der frühzeitigen Vorbeugung möglicher Eskalationen. Die P-Schicht wird damit in nachrichtendienstlicher Manier bereits im Vorfeld von möglichen Straftaten aktiv. Wer oder welche dieser Einheit warum auch immer auffällt, muß also damit rechnen, ohne einen konkreten Anlass polizeilichen Ermittlungen ausgesetzt zu sein. Der Umstand, daß diese Einheit auch in Kneipen im Viertel und bei Heimspielen des FC St. Pauli herumschnüffelt, macht dabei deutlich, wieweit diese politische Repression in die persönlichen Lebensverhältnisse der Betroffenen hineinreicht.

Bei der politischen Führung wird dieses Vorgehen toleriert und aufgegriffen. Mehr und mehr wird in der politischen Auseinandersetzung mit der Flora zum Mittel der Eskalation gegriffen. Transparente werden abgehängt, Wandbilder werden übermalt und es wird auch schon mal versucht, die Flora im Überraschungsangriff gewaltsam zu stürmen ( z.B. nach dem Besuch von O. v. Beust). Politische Prozesse, Ermittlungsverfahren und Strafbefehle gegen einzelne Leute sind immer wieder die Folge und haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.

Lever dot as slav

Wir sehen die aktuelle Vertragsandrohung auch als Fortführung dieser Politik. Der Bezirk meint nichts anderes, wenn er von Befriedung spricht. Auch der Bezirk hat bereits mehrfach formuliert, daß dem Betrieb der Flora als Stadteilzentrum keine Mängel oder Auflagen im Wege stehen. Strom, Wasser, Müllgebühren werden eh schon immer von uns selbst getragen. Es geht in der Vertragsfrage also nicht um eine Behebung von vermeintlichen Mängeln, sondern um eine politische Unterwerfungsgeste. Um das Machtmonopol, um Wahlkampftaktik, um alles, aber nicht um uns und darum wie der Laden läuft. Wir sind nicht bereit, uns als harmonische Kulisse in dieses Wahlkampfgetöse einbinden zu lassen. Wir erleben die politische Geste der Vertragsunterzeichnung als Form der Unterdrückung, und deshalb gibt es für uns dabei auch nichts zu verhandeln. Ob wir unsere Vorstellungen weiterhin so umsetzen können wie bisher, hängt von der Solidarität ab, die uns jetzt entgegengebracht wird. Möglichkeiten, Ausgangs- und Ansatzpunkte dazu gibt es viele. Sie müssen allerdings von jedem und jeder selbst entwickelt werden.

Projektgruppe Kneipenbummel 02/01