Veranstaltungen zu Mumia Abu Jamal:

„On a move - Die Lebensgeschichte von Mumia Abu Jamal" aus der Biographie von Terry Bisson lesen Jürgen Heiser (Verleger) und Michael Schiffmann (Übersetzer)
Lesung am 10.09.2001 20:00 Uhr alhambra
+ neue Infos zum Fall+ Videosequenzen aus aktuellen Filmen+ aktueller Bücherstand

neuer Film am 1.10.2001 20:00 Uhr alhambra
Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils?
(A Case for reasonable Doubt)
Die Todesstrafe in den USA und der Fall Mumia Abu-Jamal

„Ohne die jahrelange internationale Solidaritätsbewegung wäre Mumia Abu-Jamal längsthingerichtet worden. Daß er noch lebt, hat er nicht zuletzt dieser Bewegung zu verdanken."

Speedy Rice, US-Rechtswissenschaftler, im Herbst 2000 auf einer Veranstaltung zur Todesstrafe im Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelberg


Der mittlerweile weltbekannte, seit 19 Jahren in der Todeszelle sitzende afroamerikanische Journalist und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal wird am 17. August 2001 zum vierten Mal vor dem Stadtgericht (Court of Common Pleas) in Philadelphia versuchen, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erzwingen, bei dem er 1982 wegen Mordes an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt wurde (Das ist nicht Tag X, siehe dazu nachfolgenden Artikel aus der JungenWelt).

Abu-Jamal kann dabei auf äußerst starke Argumente zurückgreifen: Ein Berufskiller hat mittlerweile gestanden, er, nicht Mumia habe den Mord an dem Polizisten begangen, eine Aussage, die nicht nur durch zahlreiche weitere Zeugen, sondern auch durch einen Lügendetektortest untermauert wird.

Mumias mutiger Schritt, offensiv auf seiner Unschuld zu beharren, ist allerdings bei den Gerichten und in den offiziellen Medien der USA keineswegs auf Beifall gestoßen. Das ist kein Wunder. Der tatsächliche Mörder Daniel Faulkners gibt an, diesen im Auftrag korrupter Polizeikreise und der Unterwelt Philadelphias beseitigt zu haben, um zu verhindern, daß er ihre unsauberen Geschäfte untersucht. Kein Wunder also auch, daß Mumia vor Gericht nie eine Chance hatte, da die polizeiliche Untersuchung des ihm vorgeworfenen Mordes von A bis Z korrupt war!

So wie die Dinge liegen, wird Mumia es sehr schwer haben, seine Unschuld zu beweisen. Bundesrichter Yohn, der seit Oktober 1999 über Mumias Antrag auf Haftüberprüfung zu entscheiden hat, hat eine eidliche Vernehmung des geständigen Mörders Arnold Beverly abgelehnt. Die Richterin des Stadtgerichts von Philadelphia, Pamela Dembe, vor der die Verhandlung am 17. August stattfinden wird, gilt ebenfalls nicht als besonders liberal und bürgerrechtsfreundlich.


Wir dokumentieren 2 Artikel von Jürgen Heiser aus der Jungen Welt zu den Ereignissen um den 17.8.2001

Mumia Abu-Jamal wird aus dem Gerichtssaal gebannt

In einer überraschenden Verfügung hat der Leiter der Verwaltung des Stadtgerichts von Philadelphia, Joseph J. DiPrimio, festgelegt, daß Mumia Abu-Jamal am Freitag nicht aus dem fernen Todestrakt von Waynesburg nach Philadelphia verlegt werden soll, um persönlich bei der Anhörung anwesend sein zu können, in der es um neue entlastende Beweise geht. Als Begründung führt DiPrimio an, es gebe »keine einzige freie Zelle in den Gefängnissen von Philadelphia, um Abu-Jamal unterzubringen«. Eine Sprecherin des International Concerned Family and Friends Committees erklärte dazu, in zwei vergleichbaren Fällen in den Jahren 1995 und 1996 habe man Abu-Jamal problemlos in einem Gefängnis außerhalb der Stadt untergebracht. Diese Begründung sei vorgeschoben, in Wirklichkeit wolle man Abu-Jamal auch von diesem für sein Leben wichtigen Termin ausschließen und ihm die Gelegenheit nehmen, öffentlich Stellung zu nehmen. Trotz dieser Entscheidung werde die Mobilisierung für diesen Tag in den USA und Kanada und weltweit vor US-Vertretungen weitergehen und sogar verstärkt. »Wir fordern alle Aktivisten und Unterstützer auf, in noch größerer Zahl nach Philadelphia zu kommen, denn wenn Mumia nicht da sein darf, dann müssen wir ihm nicht nur zur Seite stehen, sondern alle an seiner Stelle präsent sein«, so die Sprecherin Suzanne Ross. Außer Prominenten, wie der Mitbegründerin der Black Panther Party, Kathleen Cleaver, dem Schauspieler Ossie Davis und er Schriftstellerin Sonia Sanchez, wird auch eine Delegation aus Frankreich an der Anhörung vor Richterin Pamela Dembe als kritische Öffentlichkeit teilnehmen. Es wird erwartet, daß es in dem Gerichtstermin, in dem Abu-Jamals Anwälte unter anderem die Forderung nach eidlicher Vernehmung des geständigen Berufskillers Arnold R. Beverly erneut vortragen werden, nun zunächst darum gehen wird, Abu-Jamals persönliche Anwesenheit durchzusetzen.


Kann ein Mordgeständnis verjähren?
Ringen Mumia Abu-Jamals um Geständnis von Arnold Beverly geht weiter

Die vor dem Stadtgericht von Philadelphia für vergangenen Freitag angesetzte Anhörung fand wie angekündigt ohne Mumia Abu-Jamal statt. Während er im Todestrakt im fernen Waynesburg verbleiben mußte, weil angeblich keine freie Zelle für ihn am
Gerichtsort zu finden war, demonstrierten den ganzen Tag über etwa zweitausend Menschen aus der Free-Mumia-Kampagne, Todestrafengegner, Mitglieder der Free-Leonard-Peltier-Komitees, Gruppen für ein Freies Palästina und viele andere mit der Forderung: Sofortige Freilassung von Mumia, dessen Fall nicht weniger Widersprüche und entlastende Beweise aufweise als jene der 98 zum Tode Verurteilten, die in den letzten Jahre freigelassen wurden 18 davon ohne neue Verhandlung, weil der wahre Täter ein Geständnis abgelegt hatte.

Darum sollte es auch an diesem Tag im Gerichtssaal gehen: Ist das Geständnis des Berufskillers Arnold Beverly, den Polizisten Daniel Faulkner im Auftrag der Unterwelt erschossen zu haben, der Justiz fristgerecht bekanntgegeben worden? Staatsanwalt Hugh Burn sagte nein, denn der Geständige habe der Verteidigung seit Juni 1999 zu Verfügung gestanden, es hätte aber eine 60-tägige Frist eingehalten werden müssen. Das neue Anwaltsteam hielt dagegen, das im Frühjahr von Abu-Jamal entlassene Team sei für diese Unterlassung verantwortlich, deshalb sei der Mandant nicht adäquat verteidigt gewesen und habe ein Recht darauf, daß das Geständnis Beverlys auch jetzt noch in die Akten aufgenommen werde. Ramona Africa, Sprecherin der MOVE-Organisation, brachte den Widerspruch außerhalb des Saales auf den Punkt: Wenn ein Mord niemals verjährt, wie kann es dann sein, daß ein Mordgeständnis »verjährt«?

Doch in diesem Verfahren, so die Philadelphia Daily News, ist »niemals etwas normal gewesen«. Schon im Verhandlungssaal zeigt sich der Riß, den dieser Fall mitsamt der ganzen Todesstrafenproblematik in der US-Gesellschaft erzeugt: Auf der einen Seite Reverend Jesse Jackson, Schauspieler Ossie Davis und Comedy-Star Dick Gregory und Abu-Jamals Unterstützer aus vielen Teilen der USA, Kanadas und sogar aus Europa, wie Bernard Birsinger, Bürgermeister des Pariser Stadtteils Bobigny, in dem Abu-Jamal Ehrenbürger ist. Auf der anderen Maureen Faulkner, die Witwe des erschossenen Polizisten, umgeben von organisierten oder zum Saalschutz abkommandierte Kollegen ihres Mannes, die nichts als Rache und Vergeltung wollen.

Für Richterin Pamela Dembe reduziert sich der gesellschaftliche Widerspruch auf die einfache Formel, daß es »ernsthaft in Frage steht, ob der Antrag fristgerecht eingereicht wurde.» Sie räumte der Verteidigung weitere drei Wochen ein, neue Argumente zu bringen, wieso die eidliche Vernehmung Beverlys doch noch als fristgereicht zu werten sei. Danach soll die Staatsanwaltschaft innerhalb von zwei Wochen, also bis zum 21. September, darauf erwidern. Einen neuen Anhörungstermin wollte Dembe nicht festlegen. Verteidiger Eliot Grossman ergriff am Ende des nur 30-minütigen Termins das Wort und brachte die Beschwerde seines Mandanten vor, der daran gehindert worden sei, persönlich anwesend zu sein. Grossman insistierte auf die Anberaumung eines baldigen neuen Termins: »Uns liegt daran, daß wir die Möglichkeit haben, dies hier vor Ihnen darzustellen, und daß auch Mr. Jamal die Möglichkeit bekommt, das persönlich zu tun.« Dembe erwiderte, es sei unklar, ob eine solche mündliche Anhörung nötig sei. Sie müsse sich wegen möglicher Demonstrationen und Störungen des übrigen Gerichtsbetriebes erst mit Vertretern der Justiz und der Sicherheitsbehörden beraten.

Die Kundgebungsteilnehmer reagierten nach der Verhandlung empört auf die Bekanntgabe dieser Äußerung Dembes. Wer die aktuellen Auseinandersetzung in Philadelphia und den übrigen USA um die Allianz zwischen organisierter Kriminalität und korrupter Teile der Polizei verfolgt, der weiß, daß die befürchtete »Störung« nicht von Demonstrationen ausgeht, sondern von dem Anerkenntnis eines Geständnisses, das einen Sumpf aufdeckt, den man mit Abu-Jamals Hinrichtung hofft unter dem Deckel halten zu können.