Circus im Nationalsozialismus

Circus - das ist eine Welt, in die die meisten schon einmal getaucht sind. Viele Wagen, ein großes Zelt, ArtistInnen, eine kleine „Stadt in der Stadt", die meistens genauso schnell wieder verschwindet, wie sie gekommen ist. Was bleibt ist oft der Mythos, oder eben auch nicht Mythos, der Circuswelt mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln. Es gibt wenig authentisch Geschriebenes über den Circus. Ein Grund ist, daß Circus kaum eine Lobby hat und gerade im Bereich der traditionellen Unternehmen ein nicht unerheblicher Teil der Menschen kaum lesen und schreiben kann. Weitgehend unbekannt ist auch, wie Circusse im Nationalsozialismus behandelt wurden. Aus der aktuellen Entschädigungsdebatte fallen die Circusfamilien heraus, obwohl ganze Unternehmen aufgekauft und viele ArtistInnen in Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet wurden.

Im folgenden Artikel Artikel wird versucht, einen kurzen Abriß über die Geschichte des Circus im Nationalsozialismus zu geben.

Am 1. Mai 1933, nur wenige Monate nach ihrem Machtantritt, erfolgte ein entscheidener Eingriff der Nazis in das Circuswesen. Es wurde die „Verordnung über ausländische Arbeitnehmer" erlassen. Jede Beschäftigung von AusländerInnen war ab sofort an eine offizielle Arbeitserlaubnis gebunden, die willkürlich erteilt oder abgelehnt wurde. Alle Circusse, die Deutschland nicht rechtzeitig verlassen hatten, wurden dazu gezwungen ihre MitarbeiterInnen zu entlassen. Mit der verschärften Durchsetzung dieser Verordnung ab 1934 verringerte sich bei allen Großcircussen der Personalbestand. 1935 triumphierte der als „ Führer der Reichsfachschaft Artistik" eingesetzte Gleixner , die „ Cliquenwirtschaft" sei endgültig überwunden. Zu diesem Zeitpunkt waren die nächsten Schritte der Nazis schon genauestens geplant: von Oktober 1934 an wurden alle
DirektorInnen dazu gezwungen, sich im Direktorenverband anzumelden. Dieser wiederum überprüfte ihre Eignung zum „ Betriebsführer". Am 14.02.1935 wurde dann die „ Verordnung zu amtlichen Ariernachweisen" erlassen, die alle DirektorInnen dazu verpflichtete, ihre „arische" Abstammumng zu belegen. Dies war natürlich für viele Unternehmen nicht möglich. Nach und nach häuften sich nun Anordnungen und Verbote, von denen hier nur ein kleiner Teil benannt werden kann:
-Verbot „ artfremder" Kostüme
-Verbot des Auftretens von „Negern und Negermischlingen"
-Verbot der „Teilnahme von Juden an Darbietungen der deutschen Kultur"
-Musik-Erlaß durch das Propagandaministerium. Dieser Erlaß verbot „Hot und Swinging Musiken" sowie „artfremde Musik soweit sie von Juden oder Negern stammt oder diese nachahmt."

Der traditionsreiche jüdische Circus Straßburger, um hier nur ein Beispiel zu nennen, wurde das erste Opfer dieser Bestimmungen. Die faschistischen Tageszeitungen organisierten eine systematische Hetze gegen das Unternehmen, so daß Karl Straßburger zum Verkauf gezwungen wurde. Paula Busch, ein auch heute noch sehr renomiertes Unternehmen, das regelmäßig in Oldenburg gastiert, kaufte den gesamten Circus zu einem Spottpreis auf.

Noch schlimmer traf es die weit verzweigte Familie Blumenfeld, die zwar seit 1928 keinen eigenen Circus mehr betrieb, deren Mitglieder aber sehr bekannte Dresseure waren. Sie gehörten, vielleicht gerade wegen ihres Bekanntheitgrades zu den ersten, die in Konzentrationslager verchleppt und ermordet wurden. Es gab nur einen einzigen Überlebenden: Artur Blumenfeld.

Innerhalb der Circusse verhielten sich die Menschen sehr unterschiedlich. Krone stellte beispielsweise seinen Münchener Bau den faschistischen Organisationen als Vrsammlungsstätte zur Verfügung und Hans Stosch-Sarrasani junior trat sofort der NSDAP bei.

Andere CircusdirektorInnen versuchten Widerstand zu organisieren. So verstekte der Direktor Adolf Althoff die jüdische Artistin Irene Lorch, später Irene Bento, in seinem Circus. Sie heiratete den Clown Peter Bento. Ständig bedroht von überfallartigen Durchsuchungen durch die Gestapo und Angst vor Denunziation bekommt das Paar zwei Kinder, von denen niemand etwas wissen darf. In einem Wagen, in den ein Geheimversteck eingebaut ist, gelingt es ihnen unentdeckt zu bleiben. Allabendlich tritt Irene mit strahlendem Lächeln vor das Publikum und weiß, daß jede Vorstellung die letzte sein kann.

 
Irene als 14-jährige Irene mit ihren 3 Kindern

Die Lebensgeschichte von Irene Bento und die Situation eines Circus in der Zeit des Nationalsozialismus hat das Theater Metronom eindrucksvoll in dem Stück „Die Zirkusreiterin" inszeniert.
Im Rahmen der Theatertage „Niemandsland" - Theater zum Thema Flucht - kommt dieses Stück am 8.3 um 10.15 Uhr und 19.30 nach Oldenburg. Es wird im Hof 19, Bahnhofsstr. 19 gespielt.
Wir haben das Stück gesehen und empfehlen es wärmstens weiter.

Also: Nix wie hin!